Das Rathaus wurde 1809 erbaut, vier Jahre nachdem in der Stadt eine verheerende Feuersbrunst gewütet hatte. Am ehemaligen Sitz der städtischen Bürgerschaft an der Grand-Rue, der wichtigsten Geschäftsstrasse von Bulle, sind heute die Gemeindebehörden untergebracht.
In der Gesellschaft des Ancien Régime ist das Rathaus der Sitz der Behörden, die das „edle und ehrenwerte Bürgertum“ vertreten. Dieses besteht aus den Familien, die das Bürgerrecht und die damit verbundenen Privilegien geniessen. Sie leben mit den „Einwohnern“ oder den „Geduldeten“ zusammen, die sie als Fremde betrachten. Die Mitglieder des Bürgertums sind wie die Einwohner Untertanen der Patrizier des Stadtstaates Freiburg und in Bulle durch den Landvogt vertreten, der im Schloss residiert. Die Gesellschaft des Ancien Régime verschwindet 1798 mit dem Einmarsch der Französischen Truppen und der Errichtung der Helvetischen Republik.
Nach der Feuersbrunst von 1805 hat die Stadt Bulle mit ernsten Geldproblemen zu kämpfen. Trotzdem will der Rat von Bulle das Rathaus rasch wieder aufbauen lassen. Die Planung wird Charles de Castella anvertraut und der Bau dem Unternehmer Frédéric Rosselet. Nach vielen Diskussionen und der Erhebung einer zusätzlichen Steuer wird das Rathaus 1809 eingeweiht, drei Jahre nach der Grundsteinlegung 1806.
Das Rathaus dominiert die benachbarten Gebäude, hat aber nichts von einem Prestigebau. Seine eher strenge Fassade erinnert an die Umstände seines Baus in einer der schwierigsten Epochen der Geschichte von Bulle. Am 29. Oktober 1808 tagt der Gemeinderat zum ersten Mal im neuen Rathaus. Während der Bauarbeiten sind die Behörden im Gebäude der Halles (Markthallen) untergebracht. Das Erdgeschoss des Gebäudes beherbergt zu jener Zeit eine Herberge und Geschäfte, die Ende des Jahres 1829 zu einem Café und später zu einem Postbüro umgebaut werden. Die Fassade des Erdgeschosses wird zweimal umgestaltet, einmal gegen 1900 und erneut um 1950. Der Rathausgiebel mit dem von zwei Löwen flankierten Wappen der Stadt wird 1957 vom Marmorbildhauer Alexandre Bellora von Bulle nach einem Entwurf von Antoine Claraz von Freiburg gestaltet.
Heute sind die Behörden und ein Teil der Verwaltung der Stadt im Gebäude untergebracht. Im Erdgeschoss befindet sich ein Restaurant (derzeit geschlossen). Im Saal auf der Rückseite des Rathauses wurden zwischen 1990 und 2012 zahlreiche Ausgaben des Festivals Les Francomanias (französisches Chanson) durchgeführt.
© Musée Gruérien und Amt für Kulturgüter des Kantons Freiburg
Legende der Archivphotos:
Bulle, die Grand-Rue und das Rathaus, gegen 1910.
© Charles Morel, Musée Gruérien